Corona-Krise: Team verschenkt Lebensmittel-Tüten

Veröffentlicht am 07.04.2020 in Presse im Wahlkreis
 

Villingen-Schwenningen - Was macht Nicola Schurr, wenn er in Quarantäne steckt? Rezepte ausprobieren und vor allem Ideen für neue VS-Projekte sammeln.

Jüngstes Ergebnis seines "Brain­storming" ist ein Gemeinschaftsprojekt mit den Food­sharing-Machern und ihm, dem stadtbekannten Erzieher: Mit dem Unternehmen "Deine Einkaufstüte" wandern nun wöchentlich Lebensmittel quer durch die Stadt dorthin, wo sie am nötigsten gebraucht werden.

Schwarzwälder-Bote, Eva-Maria Huber 07.04.2020 

Villingen-Schwenningen - Was macht Nicola Schurr, wenn er in Quarantäne steckt? Rezepte ausprobieren und vor allem Ideen für neue VS-Projekte sammeln.

Jüngstes Ergebnis seines "Brain­storming" ist ein Gemeinschaftsprojekt mit den Food­sharing-Machern und ihm, dem stadtbekannten Erzieher: Mit dem Unternehmen "Deine Einkaufstüte" wandern nun wöchentlich Lebensmittel quer durch die Stadt dorthin, wo sie am nötigsten gebraucht werden.

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Giulia Herrmann und Nicola Schurr haben einiges gemeinsam: Sie kennen sich seit vielen Jahren, sind gemeinsam aufgewachsen, sozial engagiert. Und jetzt stemmen Herrmann und ihre beiden Mitstreiterinnen Sabine Röhm-Allgaier und Julia Heinsen mit Nicola Schurr ein Projekt, für das sie bereits viel Beifall und Anerkennung bekamen.

Die Idee dahinter: Das Foodsharing-Team versorgt Nicola Schurr mit Lebensmitteln, Gemüse, Obst, Milchprodukten oder auch Süßigkeiten. Schurr akquiriert zusätzlich Lebensmittelspenden wie Zucker, Nudeln, Reis oder Konserven. Und mit dieser Mischung lassen sich derzeit exakt 48 Tüten füllen, die dann an Adressen gebracht werden, die sich über die gesamte Doppelstadt und darüber hinaus verteilen.

So gut wie anonym

Wer Bedarf für das Projekt "Deine Einkaufstüte" hat, bleibt auf Wunsch so gut wie anonym. "Wir stellen die Tüten einfach ab", schildert Nicola Schurr im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, das Vorgehen. "Wir wissen aus Erfahrung doch, wie sich viele Menschen schämen, wenn sie arm und auf solche Lebensmittelspenden angewiesen sind."

Während seiner "Knast-Zeit", will sagen seiner Quarantäne aus Vorsorge-Gründen – Schurr hatte indirekten Kontakt mit einem Corona-Infizierten – kam ihm die Idee zu dem Vorhaben "Deine Einkaufstüte". Während er sich an die Zubereitung von selbst gemachten Spätzle und Bratensauce machte, überlegte sich der AWO-Mitarbeiter und Stadtrat "eine paar gute Ideen für VS". Es war für ihn auch eine "Zeit der Entschleunigung", die er als Bereicherung erlebt habe: "Man kann sich in solchen Phasen darauf besinnen, welche Werte wirklich zählen."

In diese Zeit hinein fiel die Kontaktaufnahme mit dem Foodsharing-Team. "Es gibt doch sicher einige, die durch diese Krisenzeit in eine schwierige Situation geschlittert sind", folgert Schurr. "Und es gibt sicher viele, die Lebensmittel brauchen können", immerhin hätten ja auch die Tafelläden geschlossen. "Und genau diese Zeit der Schließung möchten wir mit unserem Projekt überbrücken."

Gemeinsam bastelten Schurr und die Lebensmittelretter an ihrem Konzept: Die Foodharing-Macher aus VS können auf ein Netz von fast 190 Ehrenamtlichen bauen und dazu 17 Kooperationspartner, darunter Cafés, Bistros, Bäckereien und selbst die Wild Wings, die Lebensmittel kostenlos zur Verfügung stellen.

Brötchen, Schlangengurken, Joghurt etwa: Wertvolles, das ansonsten in der Mülltonne gelandet wäre. Manche Lebensmittel müssten noch am gleichen Abend entsorgt werden, "weil bereits am nächsten Tag die neun Lieferungen kommen", beschreibt Giulia Herrmann das Dilemma mancher Betriebe. Stattdessen werden diese Produkte unter "Einhaltung der Hygienevorschriften" verpackt und seit mehr als drei Jahren an die bekannten Adressen Bedürftiger gebracht. Schurr ergänzt das Team mit seinem eigenen Netzwerk von privaten Leuten, die etwas spenden möchten. Das Angebot reicht von Teigwaren, Reis über Schokolade bis hin zu Wurst- und Fischkonserven und Tomatensauce.

Ein Extra für Kinder

Was die Initiatoren ganz besonders freut: Es geht auf Ostern zu und diese Woche soll es deshalb eine geballte Lieferung an Osterhasen geben, rund 130 Stück, "extra für Kinder".

Kaum angelaufen und bekannt, wurde das Projekt nicht nur (in den sozialen) Netzwerken gefeiert. "Es haben sich auch unglaublich viele bei mir gemeldet", berichtet Schurr von der überaus großen Resonanz auf das Projekt. "Die nächsten Wochen sind gesichert." Angesichts der bis dato 48 Tüten, die samstags verteilt und vor die Wohnungstüren gestellt werden, geht den Projekt-Machern allerdings allmählich der Atem aus. "Eigentlich ist das Maximum erreicht", so Schurrs aktuelles Resümee. "Der Andrang ist eben sehr hoch."

Zu den bedürftigen Menschen zählt die alleinerziehende Mutter ebenso wie die 80-Jährige mit einer mickrigen Rente, die sich kaum über Wasser halten kann.

Schurr hängt seinen Gedanken nach. Was ihn besonders berührt, ist die hohe Zahl an Menschen, die sich bei ihm gemeldet haben und bedürftigen Menschen in der Not helfen möchten. "Das Telefon ist kaum noch still gestanden, bis in den späten Abend hinein." Für ihn ein überwältigendes Zeichen, "dass die meisten Menschen in Krisenzeiten eben doch zusammen halten" und der Egoismus ein Stückweit verblasst.

Auch für Giulia und ihre Mitstreiterinnen gibt es immer wieder diese berührenden Momente: "Manche Rentner sind den Tränen nahe, wenn wir bei ihnen die Sachen vorbeibringen und sie die Tüten persönlich entgegen nehmen möchten.

 

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